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Nach einem guten Jahr 2017 gelang der deutschen Zulieferindustrie ein noch besserer Start ins Jahr 2018. Der Opt- imismus wird indes gebremst durch die große Verunsicherung über die bereits einge­führten oder angekündigten weltweiten Handelsbarrieren. Die signifikante Abhängigkeit von auslän­dischen Märkten kann zum Risiko werden. Die Entscheidung der US-Regierung, mit Europa zunächst zu verhandeln, beseitigt die Unsicherheit nicht.


Konjunkturelle Perspektiven 2018 - Geschäftsklima-Index

Das Jahr 2017 haben die deutschen Zulieferer mit einem deutlichen Umsatzwachstum von 5,6 % auf 235 Mrd. Euro ab- geschlossen. Die direkten Exporte legten bei einer Exportquote von stabil 38 % in gleicher Dynamik auf über 90 Mrd. Euro zu. Die Relevanz der globalen Märkte wird deutlich, wenn zusätzlich die indirekte Exportquote berücksichtigt wird: Die Haupt- kundengruppen der Zulieferer lie­fern nochmals Dreiviertel ihrer Produkte ins Ausland.

Die Kapazitätsauslastung ist im Verlauf des Jahres 2017 spürbar gestiegen. Auch für das erste Quartal 2018 hat sich dies fortgesetzt. Vor dem Hintergrund des hohen Nachfrageniveaus haben die Zulieferer Ihre Belegschaften nochmals aus- bauen können. Die Zahl der Beschäftigten ist Stand Ende 2017 auf über 1,1 Mio. Personen gestiegen! In 2017 sind zusätzlich 30.000 Arbeitsplätze geschaffen worden.

Investitionen mit Augenmaß - mit dieser Devise dürften die Zulieferer in die Umsetzung Ihrer Investi­tionsplanungen gehen. Zwar stellen sich nach wie vor aufgrund der Zinssituation keine grundsätzlichen Finanzierungshürden in den Weg, aber die Erfahrungen der letzten Krise sind bei den Entscheidern noch sehr präsent. Hinzu kommt aktuell die protektionistisch geprägte Entwicklung der internationa­len Märkte, die zu Realismus und Vorsicht mahnt. Dies spiegelt sich auch im Geschäftsklima der Zulie­ferer wieder: Die Bewertung der aktuellen Lage ist aufgrund der Orderentwicklung sehr positiv, wo­ hingegen die Aussichten auf Sicht des nächsten halben Jahres nach Ansicht der Unternehmen eher von Moll-Tönen begleitet werden könnten.


Freier und fairer Welthandel vs. Protektionismus

Die Abhängigkeit der Zulieferer vom Welthandel wächst stetig weiter. Über 80 % der Produkte gelan­gen direkt oder über die Produkte der Kunden auf ausländische Märkte. Die deutschen Automobilhersteller - ein wichtiger Abnehmermarkt - haben im vergangenen Jahr 66 % Ihrer Fahrzeuge im Ausland produziert - Tendenz klar steigend. Während die Inlandsproduktion der deutschen OEM bestenfalls stagniert, wächst die Zahl der an den ausländischen Standorten gefertigten Fahrzeuge dy- namisch wei­ter. Gerade für mittelständische Zulieferer, die den Kunden nicht an deren Standorte folgen können, ist der weltweite und barrierefreie Warenhandel essentiell wichtig. Das gilt insbesondere auch für den Bezug der Vormaterialien. Die jüngsten Sanktionen der USA gegen russische Unternehmen und Privat­personen belasten direkt die Versorgung der Zulieferindustrie mit Rohaluminium und Aluminiumoxid.

Die ArGeZ spricht sich für einen freien und fairen Welthandel ohne Protektionismus und staatliche Einflussnahme aus. Handelsbarrieren in marktwirtschaftlich organisierten Märkten schaden langfris­tig den Verbrauchern, indem sie den Wett- bewerb um das beste Produkt ausschalten und somit Inno­vationen behindern sowie Waren verteuern. Die ArGeZ verurteilt die bereits verhängten bzw. immer noch diskutierten Schutzzölle der USA, die auch gegen Zulieferprodukte aus der EU aus Stahl und Aluminium gerichtet sind. Die ArGeZ sieht eine etwaige Verhängung von Importbeschränkungen der EU gegen US-Produkte kritisch, andere Retorsionsmaßnahmen werden von der ArGeZ nicht unterstützt. Auch Safeguard-Maßnahmen, die sich gegen eventuell umgelenkte Warenströme richten, müssen sorgfältig geprüft werden und dürfen allenfalls als ultima ratio produktbezogen sowie begrenzt auf tatsächlich zusätzliche Importmengen eingesetzt werden. Eine Eskalation muss unbedingt vermieden werden. Durch weitere Handelsbarrieren entstehen nur noch größere Schäden für Europa und die USA. Handelskonflikte gehören in ein geordnetes rechtsstaatliches Verfahren vor die WTO. Wir brauchen funktionstüchtige völkerrechtliche Institutionen, die Handelskonflikte effizient  befrieden  und lösen können. Eine Schw- ächung der WTO ist inakzeptabel. Vorgeschobene Gründe für Handelsbarrie ­ ren dürfen keinen Bestand haben.

„Der Abschluss internationaler Handelsabkommen ist der beste Schutz gegen Protektionismus." so ArGeZ -Sprecher Christian Vietmeyer.


Vernetzung und Zusammenarbeit im Zuliefer-Abnehmerverhältnis

Durch die digitale Vernetzung rücken Zulieferer und Abnehmer in den verschiedenen Wertschöpfungs­ketten immer enger zusammen. Für eine gute Zusammenarbeit ist ein fairer und partnerschaftlicher Umgang miteinander erforderlich. Nach- haltige Zulieferbeziehungen basieren auf gegenseitiger Fair­ness und einem langfristigen Denken.

Marktmächtige Abnehmer diktieren zunehmend die Geschäftsbedingungen und lösen sich dabei vom Gebot der Fairness und teilweise auch vom rechtlich Erlaubten. Beispiele:

  • In der Angebotsphase verlangen Abnehmer Zahlungen vom Zulieferer ohne wirtschaftliche Ge­genleistung. Wer diese Eintrittsgelder nicht zahlt, kann gar nicht erst anbieten oder bekommt keinen Auftrag. Solche unlauteren Pay to play-Zahl- ungen sind leider nicht nur in der Automo­bilindustrie anzutreffen.

  • Es werden immer noch Zahlungsziele von 90 Tagen und mehr abverlangt, obwohl das Recht  bei Einkaufsbedingungen bei 30 Tagen und bei individuellen Vereinbarungen bei 60 Tagen die Grenze zieht. Bei manchen marktstarken Abnehmern sehen die Zulieferer erst nach weit über 100 Tagen ihr Geld. Diese Praxis muss endlich ein Ende haben. Eine ordentliche Leistung muss auch in angemessener Zeit bezahlt werden.

  • Die dringend notwendige Innovationsfähigkeit der Zulieferer wird geschwächt, indem das geis­tige Eigentum der Zulieferer nicht respektiert wird. Marktstarke OEMs fordern Entwicklungs­leistungen ein, ohne diese zu kompensieren. Nicht selten müssen Zulieferer feststellen, dass Sie trotz erheblicher, nichtvergüteter Vorleistungen bei der Entwicklung den Zuschlag für die Serienproduktion doch nicht bekommen. Manche müssen sogar mitansehen, wie ihre Entwicklungen dann woanders zum Einsatz kommen.

Bedenklich ist die Entwicklung bei der Setzung von Qualitätsstandards in der automobilen Wertschöp­fungskette. Hier hat die IATF (International Automotive Task Force) - das sind exklusiv die neun Her­steller BMW, Chrysler, Daimler, Fiat, Ford, General Motors, PSA, Renault, VW und deren Verbände - die Qualitätsnorm  „IATF 16949" geschaffen, deren Einhaltung von den Zulieferern verlangt  wird.

Die etablierten Normungsgremien der Internationalen Organisation für Normung (ISO) wurden umgangen. Bisher war der Standard die Norm Automotive-Spezifikation ISO/TS 16949. Sie entstand aus einer Zusammenarbeit von IATF und ISO/TC 176, dem technischen Komitee für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung der Internationalen Organisation für Normung (IS0). Seit dem 01.10.2017 kön­nen Unternehmen nur noch nach der IATF 16949 auditiert und zertifiziert werden. Während der Ent­stehungsprozess bei einer ISO-Norm transparent ist und zum Normungsgremium die beteiligten Kreise grundsätzlich Zugang haben, handelt es sich bei der IATF hingegen um einen exklusiven Kreis von Her­stellern. Das ist alles andere als partnerschaftlich, zumal die IATF viele neue und zum Teil unklare An­forderungen aufstellt.


Ansprechpartner:

Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverar­beitung e.V. und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie  (ArGeZ),
Tel. +49 211 9578 68 22, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Michael Weigelt, Sprecher der Geschäftsführung GKV/TecPart e.V., Tel.: +49 69 27 105 28, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Sebastian Schiweck, WirtschaftsVereinigung Metalle e.V., Referent Handels-, Rohstoff-, Ver­kehrs- und Zollpolitik, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Über die ArGeZ:
Die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (ArGeZ) wurde 1993 von deutschen Wirtschaftsverbänden gegründet. Die Interessengemeinschaft vertritt 9.000 Zulieferer, die mit über 1 Million Beschäftigten einen Umsatz von 235 Mrd. Euro er- wirtschaften. Sie hat die Aufgabe, die Belange der zumeist mittel­ständischen Zulieferfirmen in der Öffentlichkeit und Politik deutlich zu machen. Die ArGeZ setzt sich zudem ein für faire Geschäftsbeziehungen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zulieferern und Kunden aus Industrie und Handel. Nähere Informationen finden Sie unter www.argez.de.